Diese Faktoren beeinflussen den Außenhandel

Brexit, Trump-Triumph, China-Schwäche: Für den Außenhandel sind das alles keine guten Omen. Dennoch exportieren deutsche Unternehmen auf einem historisch hohen Niveau. Im Interview spricht Dr. Ulrich Kater, Chefsvolkswirt der DekaBank, über die wichtigsten Entwicklungen und Faktoren für den Welthandel.

Großbritannien verlässt die Europäische Union, US-Präsident Donald Trump droht, den Freihandel einzuschränken, und Schwellenländer wie China wachsen nicht wie erwartet. Worauf deuten diese Entwicklungen hin, wenn es um die Zukunft der Weltwirtschaft geht?

Dr. Ulrich Kater: Die fast uneingeschränkte Bereitschaft zur Internationalisierung der Wirtschaftsbeziehungen ist verflogen. Das liegt teilweise an den negativen Auswirkungen der Globalisierung in den westlichen Ländern, wie der Verlagerung von Arbeitsplätzen. Zum Teil aber auch an den politischen und kulturellen Einflüssen, die die internationale Verpflichtung mit sich gebracht hat. Inwieweit die Globalisierung rückabgewickelt wird, ist jetzt noch nicht vorherzusagen. Fest steht, dass dem internationalen Handel ein wichtiger Wachstumstreiber verloren gegangen ist.

Auch in diesem Jahr stehen wichtige Entscheidungen an: Die Niederlande haben bereits, Frankreich und Deutschland wählen noch. In allen drei Ländern waren rechtspopulistische Parteien zuletzt sehr stark – ändert sich das bis zu den Wahlen? Zudem droht in Italien eine neue Bankenkrise. Welche Bedeutung geht von diesen Entwicklungen für exportorientierte deutsche Mittelständler aus?

Kater: Die Anti-Globalisierungsstimmung hat auch viele europäische Länder erfasst. Bei einer Beeinträchtigung oder gar Auflösung des europäischen Binnenmarktes müssten Produktionsprozesse oder sogar ganze Geschäftsmodelle neu erfunden
werden. Eine so weitgehende Umstrukturierung der Wirtschaft in kurzer Zeit ginge unweigerlich mit einer tiefen Rezession einher. Ich glaube allerdings nicht, dass es so weit kommt.

Viele Experten gehen davon aus, dass Donald Trump dem Freihandelsabkommen TTIP den Todesstoß versetzen wird. Was glauben Sie? Und wie hart würde das Scheitern von TTIP den Mittelstand treffen?

Kater: Ich sehe ein Freihandelsabkommen mit den USA noch nicht als endgültig gescheitert an. Freilich wird die Regierung Trump ihre eigenen Bedingungen neu aushandeln wollen. Gelingt das nicht, werden wirtschaftliche Entwicklungschancen
verbaut. Zusammenbrechen würde der Welthandel aber auch nicht.

Was können exportorientierte Mittelständler tun, um negative Auswirkungen durch ein Scheitern von TTIP abzumildern?

Kater: Die negativen Auswirkungen eines Scheiterns bestehen eher in den zusätzlichen Dingen, die dann nicht möglich sind. Insofern kann man sich hiervor schlecht schützen. Das einzige Mittel wäre eine Rückorientierung der Produktionsabläufe auf den europäischen oder sogar den deutschen Wirtschaftsraum und eine noch stärkere Diversifizierung der Absatzmärkte, als dies die deutschen Exportunternehmen ohnehin schon aufweisen. Damit gingen jedoch die Vorteile des internationalen Handels für die Wirtschaft, wie beispielsweise niedrige Preise, verloren.

Neben Freihandelsabkommen spielen auch Wechselkurse im Außenhandel eine wichtige Rolle. Welche Risiken bestehen hier für exportierende Unternehmen? Und wie sollten sie diesen Risiken begegnen?

Kater: Wechselkursrisiken spielen für exportorientierte Unternehmen heute eine geringere Rolle als noch vor 20 Jahren, da der Euro für mehr als die Hälfte der deutschen Exporte diese Wechselkursrisiken eliminiert hat. Gegen die verbleibenden Wechselkursrisiken etwa zum US- Dollar oder zu den asiatischen Währungen besteht heute ein breites Angebot an finanziellen Absicherungsinstrumenten, das man nutzen sollte, um Planungssicherheit im Außenhandel zu erzielen.

Leider nimmt die terroristische Bedrohung in vielen Ländern zu. Welche Auswirkungen hat das auf die Märkte und den Welthandel?

Kater: Terror wirkt in die Politik, nicht in die Wirtschaft. Es sind nicht die unmittelbaren Folgen von Terroranschlägen etwa auf die Produktion oder das Konsumverhalten der Menschen, die hier bedeutsam sind, sondern die politischen Auseinandersetzungen oder sogar militärischen Konflikte, die durch solche Aktivitäten hervorgerufen werden können. Terror ist sichtbar in der Öffentlichkeit, nicht in den volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. Bisher hat sich die Konjunktur jedoch selbst gegenüber den geopolitischen Neuorientierungen in der Welt als robust erwiesen.

Trotz der negativen Vorzeichen exportierte die deutsche Wirtschaft 2016 erneut auf einem sehr hohen Niveau. Wie erklären Sie sich das?

Kater: Die deutsche Exportwirtschaft hat auch 2016 einen Zuwachs erreicht, im vergangenen Jahr von etwa zwei Prozent. Trotzdem waren 2016 auch Enttäuschungen zu verzeichnen. So litt auch der deutsche Export sehr stark unter dem weltwirtschaftlichen Rückgang in der ersten Jahreshälfte, der insbesondere durch Ängste um die chinesische Wirtschaftsentwicklung hervorgerufen wurde. Glücklicherweise erholte sich die Weltwirtschaft in der zweiten Jahreshälfte 2016 wieder und lief mit Schwung in 2017 hinein. Eine starke Weltwirtschaft in 2017, zusammen mit den Effekten eines neuerlich geschwächten Euro, wird die Exportperspektiven aufhellen. Größeren Herausforderungen sieht sich die deutsche Exportindustrie eher mittelfristig gegenüber, zum Beispiel durch die bereits angesprochene Einschränkung der Globalisierung. Aber auch, dass Schwellenländer mittlerweile stärker Konsumgüter statt Investitionsgüter nachfragen und sich die Produktion in vielen Bereichen weg von Gütern hin zu Dienstleistungen verschiebt, stellt deutsche Unternehmen vor neue Aufgaben.

Wo sehen Sie in Deutschland noch Nachholbedarf, um die wirtschaftlicheEntwicklung weiter zu verbessern?

Kater: Die deutsche Exportwirtschaft ist gut gerüstet, um im internationalen Wettbewerb auch in den kommenden Jahren zu bestehen. Ein großes Thema ist die Innovationsfähigkeit, gerade in einer alternden Gesellschaft. Die Investitionen sind auch hierzulande auf einem zu niedrigen Niveau. Nach gleichlautenden Aussagen der deutschen Unternehmen besteht der größte Engpass zurzeit in gut ausgebildeten Fachkräften. Hier stellen sich mittelfristig die größten gesellschaftlichen undwirtschaftlichen Herausforderungen.

Welche neuen Herausforderungen kommen durch die aktuellen Entwicklungen auf exportorientierte Mittelständler zu?

Kater: Die größten Herausforderungen für international tätige Unternehmen aus Deutschland bestehen darin, im Innovationswettbewerb Schritt zu halten. Weiterhin werden sich die deutschen Unternehmen in den nächsten Jahren einer globalisierungsfeindlicheren Umgebung gegenübersehen, als das in den vergangenen Jahren der Fall gewesen ist. Diskriminierungen, Rechtsunsicherheiten und finanzielle Unwägbarkeit werden wieder eine größere Rolle im Außenhandel spielen.