Schwer: Kindern angemessene Wertvorstellungen beibringen

Eltern wollen nur das Beste für ihre Kinder: Ihnen gleichzeitig angemessene Wertvorstellungen bei Geld und Geschenken beizubringen, ist jedoch schwer – selbst wenn man dafür eine klare Idee gefunden hat.

 

Nobert Vester und Alexandra Köhler haben einen Sohn. Vincent heißt er. Er ist fünf Jahre alt und sehr clever. Er kennt sich nicht nur mit Lego aus, sondern auch schon mit Geld. Immer zum Weltspartag besuchen er und sein Vater die Sparkasse in Witten-Herbede. Auch im vergangenen Jahr. Aber da war Vincent schon so weit mit seinem Wissen, dass er die Erklär-Heftchen dankend ablehnte, die dort an Kinder verteilt wurden. Zum Vorlesen? „Ich brauche das nicht“, sagte Vincent und dachte für einen Moment nach. Dann fuhr er fort: Aber für seine Freundin würde er eines mitnehmen. Seine Freundin ist so alt wie er und wohnt in der Nachbarschaft.

Nobert Vester und Alexandra Köhler wollen – wie alle Eltern – ihrem Sohn die richtigen Werte vermitteln. Sie möchten Vincent ein gutes Verständnis von Geld beibringen. Und besonders bei Kindern ist auch das Thema Geschenke und deren Wertschätzung dabei ein großes Thema. Denn an beide Aspekte knüpfen sich Kompetenzen, die für das Kind im Erwachsenenalter wichtig sind. Den Erziehungsplan dazu umzusetzen, ist gar nicht so leicht. Selbst wenn man dafür eine klare Idee entwickelt hat. Immer wieder stellen sich trotzdem Fragen: Wann sind teure Geschenke angemessen und wann nicht? Wie bekommt mein Kind ein Gefühl für finanzielle Werte? Wie unterbinde ich Geschenke-Preistreiberei in der Verwandtschaft und bei Freunden?


Das Schlüsselerlebnis kam im Urlaub

Norbert Vester erinnert sich noch gut an Gespräche mit seiner Frau, bevor Vincent auf der Welt war. „Wir haben vor seiner Geburt genau darüber nachgedacht, wie wir es mit materiellen Geschenken machen“, sagt Vester. Im letzten Urlaub zu zweit gingen die beiden abends in ein Restaurant. Das Paar studierte, wie andere Eltern mit ihren Kindern umgingen. „Einige waren zwischen zwei und fünf Jahren alt und wurden mit Tablets und Konsolen regelrecht berauscht“, beschreibt Norbert Vester Szenen an benachbarten Tischen. Da sagte seine Frau: „Okay, das kann es nicht sein.“ Geschenke zu verteilen, um kurzzeitig ihre Ruhe zu haben, das würden sie nicht tun, beschlossen die beiden. Vester arbeitet in der IT-Branche, Köhler für eine Werbeagentur. An einigen Tagen können beide auch von zu Hause aus arbeiten und haben untertags Zeit für ihren Sohn. Darüber, was große und kleine Geschenke sind, sprechen die beiden oft mit Vincent. Zum fünften Geburtstag bekam er ein neues Fahrrad – also ein „riesengroßes“ Geschenk. Wenn der Junge einmal älter ist und sich vielleicht ein Rennrad wünscht, wollen sie es so lösen: „Das Zwanzig-Gänge-Rad kannst Du haben, aber Du musst 50 Euro von Deinem Sparkassen-Konto dazugeben.“


Die Einladung zur Einschulungs-Party – drei Monate vorher

Unterschiede sieht Vester immer wieder in seiner Nachbarschaft. Besonders, wenn es um die Einordnung von Anlässen geht – und damit zwangsläufig auch um deren Größenordnung, das finanzielle Investment und die Geschenke. Ein paar Kinder aus der Nachbarschaft wurden kürzlich eingeschult. Von einer Familie bekamen Vester und Köhler schon drei Monate vor dem Termin eine Einladung zugeschickt. „Wir wussten zuerst gar nichts damit anzufangen. ‚Soll ich mir jetzt freinehmen?‘“, fragte sich Vester im ersten Moment. „Bei uns gibt es zur Einschulung eine Schultüte, ein kleines Lego-Geschenk und Süßigkeiten. Es soll aber nicht wie auf einem Geburtstag sein.“ Auch Halloween werde von Jahr zu Jahr größer begangen. Familie Vester/Köhler sucht hier noch den Mittelweg. Am letzten Halloween haben sie für Vincent das Skelett-Kostüm von einem Nachbarsjungen geschenkt bekommen, weil er aus dem Outfit herausgewachsen ist.


Eine harte Prüfung für alle Eltern

So klar das geschenk-pädagogische Konzept der Familie Vester/Köhler ist, es wird immer wieder herausgefordert. Und es ist dann schwer, den Kurs zu halten. Das hat Vester schon oft bei sich festgestellt. Damit meint er jedoch nicht Momente, in denen man „nein“ sagen und als Elternteil gegenüber dem Sprössling Grenzen zieht. Zu den härtesten Prüfungen gehören für ihn stattdessen Situationen, in denen es einen unmittelbaren Vergleich zwischen Familien mit unterschiedlichen Erziehungsstilen gibt: Der Kumpel bekommt ein Trikot der deutschen Nationalmannschaft, der Sohn möchte auch eines – aber es muss das Original sein. Und das ist ziemlich teuer und im Grunde nichts, was man außer der Reihe schenkt. „Andere Eltern machen es bei den Geschenken eben anders. Und wenn man sich dann vergleicht, hinterfragt man sich auch immer selbst – obwohl man eigentlich im Recht ist“, beschreibt Vester den inneren Monolog, den wohl so gut wie alle Eltern führen.

Für Verwandte und Freunde haben Vester und Köhler sogar ein Absprachen-System eingeführt, was Geschenke und deren Größe angeht. „Eltern können beschließen, nicht zu viel zu schenken. Jedoch kann man sich gegen große Verwandtschaft nicht wehren“, sagt Vester und lacht. Sein Tipp: Grenzen abstecken, auch bei Freunden und Verwandten. Sonst gibt es eine Preistreiberei. „Wenn ein Kind schon drei Lego-Bausätze bekommt, muss kein vierter dazukommen. Wir sagen dann immer: „Hey, beteilige Dich doch einfach an einem der drei Bausätze.“


Die Eiskugel-Lehre

Am Ende wäre Vester hochzufrieden, wenn er und seine Frau es richtig vorgelebt hätten – ein Verständnis von finanziellem Wert jedenfalls hat Vincent schon jetzt. Als er zu Ostern vom Onkel einen 5-Euro-Eisgutschein geschenkt bekam, führte er ein kleines Vergleichssystem für sich selbst ein: Eine Kugel Eis bedeutet „ein Euro“. So viel kostet sie an der örtlichen Eisdiele. Als seine Mutter ein paar Monate später in einem Spielwarengeschäft ein Mau-Mau-Kartenspiel ansah, fragte Vincent nach dem Preis. Es waren drei Euro. Der Fünfjährige realisierte: „Drei Eiskugeln, das kann ich mir leisten.“ Und dann bot er an: „Okay, Mama, wir kaufen das Spiel und teilen uns die Kosten einfach.“

 

 

Quelle: Sparkassen-Finanzportal