Wittener Natur entdecken: Die Pyramidenpappel

Witten ist eine grüne Stadt: Überall gibt es Parks, Grünanlagen, Alleen, Gärten und Plätze – mit vielen unterschiedlichen Bäumen. Die lohnt es sich näher zu betrachten.

Die Diplom-Geografin und Vorsitzende der Naturschutzgruppe Witten „NaWit“ Birgit Ehses hat unterschiedliche Bäume unserer Heimatstadt mit großer Sachkenntnis beschrieben.

Die Porträts der Bäume und der vielen kleinen Details wie Blätter und Früchte steuerte der Wittener Diplom-Fotodesigner Stefan Ziese bei – und lädt damit auch optisch zum Staunen ein. Herzlichen Dank dafür an Birgit Ehses und Stefan Ziese.

Schauen wir uns mal die Pyramidenpappel an.

Schon gewusst?

Der Blattstiel der Pappeln ist seitlich zusammengedrückt, was eine ständige Blattbewegung bewirkt. Darauf nimmt auch der wissenschaftliche Name des Baums „Populus“ Bezug. Er stützt sich auf das Griechische „pappalein“, was „sich bewegen“ bedeutet. Durch die dauernde Bewegung verdunsten die Blätter wesentlich mehr Wasser als andere Bäume. Dadurch kommt es zu einem höheren Nährsalztransport, der das schnelle Wachstum der Pappel unterstützt.

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Als gliederndes Element finden wir auf dem Gelände von Haus Herbede eine Reihe von Pyramidenpappeln, die auch als Säulenpappeln oder Italienische Pappeln bezeichnet werden. Man erkennt die Bäume an ihrem säulenförmigen Wuchs, den fast senkrecht aufstrebenden Ästen und den Stammverzweigungen, die nahe über dem Boden beginnen.

Erstmals im Jahr 1200 erwähnt, gilt Haus Herbede als ältestes Gebäude von Witten. Viele Jahrhunderte war es Adels- und Gerichtsherrensitz und bis 1922 im Besitz der Familie von Elverfeldt. Seit 1985 ist die Freizeitzentrum Kemnade GmbH Eigentümer der Anlage. Mit öffentlichen Mitteln wurde das einst von einem Wassergraben umgebene Herrenhaus grundlegend saniert und zu einer öffentlichen Kultur-, Kunst- und Begegnungsstätte mit Restaurant und Biergarten umgebaut. Die fünf hohen Pyramidenpappeln, die am Rande des schönen Außengeländes auf einer mit Obstgehölzen bepflanzten Wiese stehen, wurden hier vermutlich vor etwa 60 bis 70 Jahren zur Abgrenzung eines Nutzgartens gepflanzt.

Neben den drei heimischen Arten Schwarzpappel (Populus nigra), Silberpappel (Populus alba) und Zitterpappel (Populus tremula) gibt es in Mitteleuropa zahlreiche Hybriden. Die Pyramidenpappel (Populus nigra „Italica“) gilt als eine Form der Schwarzpappel, die vermutlich durch eine Mutation entstanden ist. Sie wurde bereits im 18. Jahrhundert in Oberitalien (Lombardei) kultiviert und eroberte in kürzester Zeit den österreichischen und süddeutschen Raum. Nicht ganz unbeteiligt an ihrer schnellen Verbreitung war Napoleon, der Pyramidenpappeln entlang seiner Heerstraßen als Schattenspender pflanzen ließ, aber auch, damit die Straßen bei hohem Schnee noch gut erkennbar waren.

Pappeln lieben wie Weiden, Erlen und Eschen feuchte Standorte und ertragen sogar gelegentliche Überflutungen.

Als Pionierpflanzen kommen sie vor allem in den Auwäldern größerer Flussniederungen vor. Früher pflanzte man die raschwüchsigen Bäume auch häufig an Straßen und Alleen und auf Grünflächen vor großen Gebäuden.

Auf dem Gelände der Deutschen Edelstahlwerke am Wittener Ruhrdeich begrenzen mehrere etwa 60 Jahre alte Pyramidenpappeln die Industrieanlage auf südwestlicher Seite. Sie wurden hier im Zuge der Aufhöhung des Geländes, zum Teil zweireihig, an einer Böschung gepflanzt und bilden einen natürlichen Sichtschutz. Nach Kontrollen durch einen Baumgutachter mussten die größeren Bäume vor etwa zwei Jahren aus Verkehrssicherungsgründen gestutzt werden.

Die jungen Zweige der Pyramidenpappel sind sehr biegsam und zäh. Die Baumart altert jedoch recht früh, wird sturmanfällig und neigt bereits mit 40 Jahren zu Wipfeldürre und Astbrüchigkeit, insbesondere auf zu trockenen Standorten. Da sich die flach streichenden Wurzeln der Pappeln stark vegetativ ausbreiten, ist es ratsam, sie nicht in die Nähe von Gebäuden und Abflussrohren zu pflanzen, denn sie neigen dazu, den Boden anzuheben.

Von der Pyramidenpappel gibt es übrigens nur männliche Pflanzen, die zwar auffällig rote Blütenkätzchen tragen, aber nicht – wie weibliche Pappelpflanzen – Samen bilden. Sie werden durch Stecklinge vermehrt.

Im Mai/Juni sieht man häufig die sogenannte „Pappelwolle“ herumfliegen. Dabei handelt es sich um die in weiße Flugwolle gehüllten Samen fruchttragender Pappelarten. Sie können bis zu 15 Kilometer weit fliegen. Früher stopfte man mit der „Pappelwolle“ Kissen. Das Laub der Pappeln nutzte man als Viehfutter und als gelbes Färbemittel. Das leichte Pappelholz wird hauptsächlich zu Zellulose, Sperrholz und, weil es langsam brennt, zu Streichhölzern verarbeitet.

Pappelsalbe

Aus den zarten balsamisch duftenden, leicht klebrigen Knospen der Pappel kann man im Frühjahr eine schmerzstillende Salbe anrühren, dessen äußerliche Verwendung sich bei Verbrennungen, Wunden und Hämorrhoiden jahrhundertelang zurückverfolgen lässt. Als „Unguentum populeum“ zählte diese Salbe zu den beliebtesten volkstümlichen Heilmitteln der Ärzte und Bader. Ursprünglich aus Schweinefett zubereitet, nutzt man heute Olivenöl für die Salbenherstellung.

Dafür werden etwa 100 g frische Pappelknospen ein wenig zerkleinert, mit 250 ml Olivenöl in einem Glas angesetzt und gut verschlossen etwa zwei Wochen stehen gelassen. Danach wird die Masse etwa 10 Minuten unter ständigem Rühren auf kleiner Flamme erhitzt und der Rückstand abgesiebt. Zuletzt löst man 45 g Bienenwachs in dem Öl, füllt alles in saubere Salbengefäße ab und bewahrt diese kühl auf.