Wittener Natur entdecken: Die Rosskastanie

Witten, die grüne Stadt: Überall gibt es Parks, Grünanlagen, Alleen, Gärten und Plätze – mit vielen unterschiedlichen Bäumen. Die lohnt es sich näher zu betrachten.

Die Diplom-Geografin und Vorsitzende der Naturschutzgruppe Witten „NaWit“ Birgit Ehses hat unterschiedliche Bäume unserer Heimatstadt mit großer Sachkenntnis beschrieben.

Die Porträts der Bäume und der vielen kleinen Details wie Blätter und Früchte steuerte der Wittener Diplom-Fotodesigner Stefan Ziese bei – und lädt damit auch optisch zum Staunen ein. Herzlichen Dank dafür an Birgit Ehses und Stefan Ziese.

In diesem Beitrag widmen wir uns der Rosskastanie.

Schon gewusst?

Die Bezeichnung „Ross-“ oder „Pferdekastanie“ leitet sich von der Bedeutung ab, die dem für Menschen und bestimmte Tiere schwach giftigen Samen früher beim Kurieren kranker Pferde beigemessen wurde. Besonders bei Husten und Wurmerkrankungen verschafft die Rosskastanie Erleichterung.

Kal2016_10_Oktober_Blatt

Auf dem Hohenstein, nahe des Berger-Denkmals, säumen Kastanienbäume die Wegränder und Wiesenflächen. Zusammen mit anderen Baumarten bilden sie die Wald- und Parkanlage Hohenstein, die Ende des 19. Jahrhunderts auf den ehemals gerodeten und für die Landwirtschaft genutzten Flächen von der Stadt Witten für die wachsende Industriebevölkerung nach dem Vorbild englischer Landschaftsgärten angelegt wurde.

Gold- bis braungelb leuchtet im Herbst das Laub der Rosskastanie. Der uns vertraute Baum mit den auffallend großen fingerförmigen Laubblättern und den rundlichen glänzenden Kastanienfrüchten ist hier jedoch nicht heimisch. Sein ursprüngliches Verbreitungsgebiet sind die Berg- und Schluchtwälder des Balkans. Von dort gelangte die Art im 16. Jahrhundert durch die Osmanen, die bei ihren Feldzügen Kastanien als Pferdefutter mit sich führten, von Konstantinopel (Istanbul) nach Mitteleuropa.

Kal2016_10_Oktober_Blüte

Die rötlich braunen Samen der Rosskastanie schmecken im Gegensatz zu den Esskastanien bitter und sind für den Menschen nicht genießbar. Sie reifen in kugeligen grünen Stachelkapseln und fallen nach dem Aufplatzen im Herbst zu Boden. Dort werden die Kastanienfrüchte gerne zum Basteln oder Dekorieren aufgesammelt. Man schätzt sie aber auch als Winterfutter für Rothirsche, Rehe, Wildschweine und anderes Schalenwild.

Schon im Oktober sind am Kastanienbaum die Knospen für den Blattaustrieb im nächsten Frühjahr zu erkennen. Im Mai erscheinen viele weiße Blüten, die in 20 – 30 cm langen „Kerzen“ zusammenstehen. Sie bilden ausgiebig Nektar und Pollen und sind daher eine gute Bienenweide. Die Einzelblüten zeigen eine interessante blütenökologische Anpassung: Blüten, die noch nicht besucht wurden, zeigen einen gelben Fleck, das Saftmal. Nach der Bestäubung färbt sich das Saftmal rot und die Nektarquelle versiegt. Da die Farbe Rot für Bienen nicht wahrnehmbar ist, werden diese Blüten von Bienen nicht mehr angeflogen.

Die Rosskastanie zählt zur Familie der Seifenbaumgewächse. Die Samen enthalten einen hohen Anteil Saponinen und bilden durch Schütteln in Wasser einen seifenähnlichen Schaum. In der Kosmetik werden Kastanien sehr häufig in Form wässriger Auszüge verwendet. Des Weiteren gewinnt man aus Samen, Borke, Blättern und Blüten einen Grundstoff für die pharmazeutische Industrie. Die aus den Wirkstoffen hergestellten Präparate werden beispielsweise gegen Krampfadern, Hämorrhoiden oder geschwollene Füße eingesetzt.

Kal2016_10_Oktober_Frucht

2008 wurde die Gewöhnliche Rosskastanie zur Arzneipflanze des Jahres gewählt. Schon früher nutzte man die verschiedenen Pflanzenteile der Rosskastanie zum Färben von Wolle. Aus der Holzkohle wurde Schießpulver hergestellt.

Fraglich ist, wie lange die Rosskastanie uns in Zukunft noch als Alleebaum, als Zierbaum in Parkanlagen und auf Plätzen oder als Schattenspender in Biergärten erhalten bleibt. Denn seit einigen Jahren setzt ein Bakterium (Pseudomonas syringae) der Baumart mächtig zu. Blutende Stellen sowie Risse und Dellen am Hauptstamm deuten auf eine Bakterieninfektion hin. Mit zunehmender Erkrankung ist das Welken und Absterben einzelner Äste zu beobachten. Schon in den Jahren zuvor war die Rosskastanie durch die Miniermotte gefährdet, durch deren Befall die Blätter frühzeitig abfielen. Während die Motte den Baum nur schwächt, führt das gefräßige Bakterium sogar zum Absterben der Bäume.

Kal2016_10_Oktober_Esskastanie

Esskastanie (Castanea sativa)

Mit der Rosskastanie hat die Edel- oder Esskastanie, die zu den Buchengewächsen gehört, außer der Form der Früchte nichts gemein. Bekannt sind ihre essbaren Maronen, die geröstet zur Winterzeit angeboten werden und die Grundlage leckerer Kastaniengerichte wie zum Beispiel Kastanienpüree, Maronensuppe oder Kastanienkuchen bilden. In Witten findet man die wärmeliebende Baumart nur selten. Ein über 200 Jahre altes Exemplar steht auf dem Wassergewinnungsgelände der Stadtwerke Witten nahe der Ruhrbrücke in Bommern.