Wittener Natur entdecken: Die Schwarz-Erle

Witten – die grüne Stadt: Überall gibt es Parks, Grünanlagen, Alleen, Gärten und Plätze – mit vielen unterschiedlichen Bäumen. Die lohnt es sich näher zu betrachten.

Die Diplom-Geografin und Vorsitzende der Naturschutzgruppe Witten „NaWit“ Birgit Ehses hat unterschiedliche Bäume unserer Heimatstadt mit großer Sachkenntnis beschrieben.

Die Porträts der Bäume und der vielen kleinen Details wie Blätter und Früchte steuerte der Wittener Diplom-Fotodesigner Stefan Ziese bei – und lädt damit auch optisch zum Staunen ein. Herzlichen Dank dafür an Birgit Ehses und Stefan Ziese.

Heute geht es um die Schwarz-Erle.

Schon gewusst?

Die heutige Erlenschule an der Holzkampstraße in Annen stand ursprünglich seit 1874 am Erlenweg („Schule in den Erlen”), auf einem ehemaligen Feuchtgebiet mit Erlenbewuchs. Nachdem das Gelände mit dem Schulhaus an die Firma Krupp verkauft worden war, entstand 1900 das neue Schulgebäude, das auch heute noch von einigen Schwarz-Erlen umgeben ist. Am alten Standort am „Erlenweg“, wo sich über 70 Jahre die Firma Wickmann befand, hat seit einigen Jahren, neben anderen Verwaltungs- und Gewerbebetrieben, das Technisches Rathaus der Stadt Witten seinen Sitz.

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Die Schwarz-Erle ist ein Pionier. Sie ist schnellwüchsig, äußerst lichtliebend und besiedelt vor anderen Bäumen nährstoffarme Böden, vorausgesetzt, es gibt dort genügend Wasser. Häufig wächst sie in Flussauen und an Bachläufen, in Sumpfgebieten, Mooren oder Bruchwäldern. Da solche Orte früher zuweilen als unheimlich galten, wurde die Erle im Volksglauben mit dem Teufel und der Hexerei in Verbindung gebracht.

Wie keine andere heimische Art kann die Schwarz-Erle Bodennässe ertragen und selbst länger andauernde Hochwasser unbeschadet überleben. Ihr Holz zählt zu den Weichhölzern, ist aber im Wasser sehr lange haltbar und beständig. Daher wird es bevorzugt zur Herstellung von Booten, Schleusen und Wasserleitungen genutzt. Schon in der Jungsteinzeit verwendete man Erlenholz für Pfahlbauten und sogar Venedig wurde auf Holzpfählen aus Erlen und Eichen errichtet.

Bei einem Schiffsausflug mit der „Schwalbe“ können wir die Schwarz-Erle häufig an den Ufern der Ruhr erblicken, wo sie zusammen mit Weiden und Pappeln in der Weichholzaue wächst. Sie bildet hier ein wichtiges Uferschutzgehölz, da sie mit ihren tief reichenden Wurzeln den Boden befestigt und verbessert. Das Wurzelwerk der Erle ragt häufig ins offene Wasser und ist Schutz- und Lebensraum für ver­schiedene Wassertiere wie Fische, Krebse, Libellen- und Steinfliegenlarven. Auch darüber hinaus bietet der Baum zahlreichen Insektenarten wie verschiedenen Schmetterlingen oder dem schwarzblauen Erlenblattkäfer Nahrung und Unterschlupf. Die Erlenfrüchte, die über den ganzen Winter am Baum verbleiben, dienen vielen Vogelarten wie Erlenzeisig und Stieglitz als Futter in der kalten Jahreszeit.

Kal2016_06_Juni_Blüte

Schon im Februar beginnt die Schwarz-Erle zu blühen und gehört damit zu den am frühesten blühenden heimischen Baumarten. Sowohl die männlichen als auch die weiblichen Blütenstände werden schon im Vorjahr angelegt. Die weiblichen Blüten, die vom Wind bestäubt werden, sitzen in kurzen, die männlichen in lang herabhängenden Blütenkätzchen. Ihre Früchte verholzen zu kleinen braunroten Zapfen, an denen man den Baum sowohl in belaubtem als auch unbelaubtem Zustand gut erkennt. Seitlich sind die winzigen Früchte mit korkigen luftgefüllten Auswüchsen versehen, die als Schwimmpolster dienen. Sie fallen zwischen Herbst und Frühjahr aus den Zapfen heraus und werden durch Wind und Wasser verbreitet. Wenn die Blätter der Erle im Herbst abfallen, sind sie noch grün. Das Laub verrottet schnell.

Kal2016_06_Juni_Frucht

Wegen der enthaltenen Farbstoffe wurde die Erle früher als Färberpflanze verwendet. Aus den Zweigen stellte man braune und aus den Blüten grüne Farbstoffe her. Der Name Schwarz-Erle beruht wohl auf der alten Verwendung ihrer Rinde zum Schwarzfärben von Leder sowie zur Herstellung schwarzer Tinte aus ihren Fruchtzapfen. Die alte Legende, nach welcher Erlen bluten, bezieht sich auf die rötliche Verfärbung des frisch geschlagenen Holzes. Daher wird sie mancherorts auch als Rot-Erle bezeichnet. Das gut bearbeitbare Holz der Schwarz-Erle wird als Möbelholz, Sperrholz und zur Herstellung von Bleistiften geschätzt. Früher fertigte man auch Holzschuhe daraus. Die lateinische Artbezeichnung „glutinosa“ bedeutig übrigens leimartig und bezieht sich auf die klebrigen jungen Triebe. Sie wurden früher gegen Mücken in den Häusern aufgehängt.

Goethes Erlkönig

Johann Wolfgang von Goethes Ballade „Erlkönig“ (Wer reitet so spät durch Nacht und Wind …) hat nichts mit der Erle zu tun. Der Dichter hat hier lediglich eine falsche Übersetzung Gottfried Herders aus einer dänischen Legende um einen „Elfenkönig“ (Ellerkonge) ins Deutsche übernommen. Durch dieses Missverständnis verhalf er der neu erfundenen mystischen Gestalt zu schnellem Ruhm.