Wittener Natur entdecken: Die Stieleiche

Witten ist eine grüne Stadt: Überall gibt es Parks, Grünanlagen, Alleen, Gärten und Plätze – mit vielen unterschiedlichen Bäumen. Die lohnt es sich näher zu betrachten.

Die Diplom-Geografin und Vorsitzende der Naturschutzgruppe Witten „NaWit“ Birgit Ehses hat unterschiedliche Bäume unserer Heimatstadt mit großer Sachkenntnis beschrieben.
Die Porträts der Bäume und der vielen kleinen Details wie Blätter und Früchte steuerte der Wittener Diplom-Fotodesigner Stefan Ziese bei – und lädt damit auch optisch zum Staunen ein. Herzlichen Dank dafür an Birgit Ehses und Stefan Ziese.

Nach der Rotbuche und Bergahorn folgt nun die Stieleiche.

Ein Schuss Mythologie zum Baum

Besonders die alten stattlichen Eichen ziehen uns Menschen magisch an. Ihr urwüchsiges, knorriges Aussehen, die weit ausladende Krone und der dicke Stamm vermitteln das Gefühl von Ewigkeit. Den Germanen galt die Eiche als heiliger Baum. Im Schutz alter Eichen wurden rituelle Handlungen abgehalten. Das besonders harte Holz, die urwüchsige und knorrige Gestalt und das oft erst im Frühjahr abfallende Laub der Eiche galten unseren Vorfahren als Symbol für Treue, Standfestigkeit und sogar für Unsterblichkeit und Ewigkeit. Eicheln und Eichenlaub zieren Münzen, Wappen und Vereinsabzeichen.

Am Schluss gibt es noch den Kaffee zum Baum, garantiert nicht in Alu-Kapseln.

Zwischen Ruhr- und Muttental wächst auf den Steilhängen des etwa 50 Meter hohen Hettbergs die Stieleiche. Mit einer kräftigen Pfahlwurzel durchdringt der Baum die Bodenschichten und Felsspalten über dem mächtigen Karbongestein und trotzt so manchem Sturm.

Einst wurden aus dem Hettberg drei verschiedene Rohstoffe – Sandstein, Schieferton und Steinkohle – gewonnen, deren Schichtfolge im ehemaligen Steinbruch Dünkelberg (Geopark Ruhrgebiet) an der Muttentalstraße gut erkennbar ist. Unter einer mächtigen Sandsteinbank liegt das 30  Zentimeter dicke Kohleflöz Geitling 3. Der darunter anstehende Schieferton wurde für die Ziegelherstellung abgebaut und durch den 130 Meter langen Nachtigallstollen zur nördlich des Hettbergs liegenden Ziegelei gebracht. Diese befand sich auf dem Gelände der 1892 stillgelegten Zeche Nachtigall. Hier wurde auch der Ruhrsandstein zur Verwendung als Baumaterial abgebaut.

Ein weiterer Rohstoff, das Holz, wurde schon vor dem Kohleabbau als Brennmaterial auf den Bergkuppen im Muttental geerntet, so auch das Eichenholz. Es hat einen besonders hohen Brennwert, wächst aber ziemlich langsam.

Kal2016_03_März_Blatt
In Mitteleuropa kommen vor allem zwei Eichen­arten weitverbreitet vor: die Stieleiche (Quercus robur) und die Traubeneiche (Quercus petraea). Die Früchte der Stieleiche, die Eicheln, wachsen an einem langen Stiel (Name!), während die Blätter fast ungestielt sind. Die Blätter der Traubeneiche sind dagegen gestielt, ihre Früchte sitzen jedoch ohne Stiel direkt auf den Zweigen. Seltener sind in Witten die Zerreiche (Quercus cerris) aus Süd- und Südosteuropa sowie die aus Nordamerika eingeführte Roteiche (Quercus rubra) zu finden.

Kal2016_03_März_Blüte
Mit einem durchschnittlichen Alter von 700 bis 800 Jahren gehören Eichen hierzulande zu den Lebewesen mit dem höchsten Lebensalter. Die Fähigkeit, keimbare Eicheln zu bilden, erreicht eine Stieleiche erst mit ungefähr 60 Jahren.

Der Baum entwickelt im Alter einen dicken Stamm und eine ausladende Krone. Der Stamm teilt sich meist in niedriger Höhe in starke lange Zweige, die oft waagerecht abstehen. Im Mai treibt die Eiche Blätter und Blüten. Die Blüten locken nicht nur Insekten an, auch Meisen holen sich hier Nektar und Pollen – eine Kraftnahrung zur Brutzeit. Die Eicheln sitzen in einem kleinen holzigen Becher. Sie werden gerne von Wildschweinen, Eichhörnchen und Eichelhähern gefressen, die wiederum für ihre Verbreitung sorgen.

Kal2016_03_März_Frucht

Überhaupt gilt die Eiche in unseren Breiten als ökologisch besonders wertvoll. Sie bietet vielen Vogelarten, Nagetieren, Käfern und Insekten, auch Schmetterlingen, einen Lebensraum wie sonst kein anderer Baum.

Die Stieleiche bevorzugt schwerere und ausreichend feuchte Böden. Sie ist eine der charakteristischen Baumarten der grundwassernahen und sogar zeitweise überfluteten Auwälder. Wo es den konkurrenzstarken Buchen entweder zu nass oder zu trocken ist, sind die Eichen von Natur aus die dominierende Baumart. Der Baum hat es gerne hell und braucht viel Platz für seine ausladenden Äste.

Das Eichenholz ist schwer, hart und für die Herstellung von Möbeln, Parkettfußböden, Eisenbahnschwellen, Fässern und Schiffen gut geeignet. Früher war die Nutzung der Eicheln als Futter für die Schweine und das Wild genauso wichtig wie die Holznutzung. Die Schweine wurden in die Eichenwälder getrieben und in guten Samenjahren mit den Eicheln gemästet (so auch im Muttental). Rinde, Blätter und Früchte der Eichen haben einen hohen Gehalt an Gerbstoffen. Gerber verwendeten früher die getrocknete Rinde junger Eichenzweige, um aus Tierhäuten haltbares Leder herzustellen.

Der Kaffee zum Baum: Eichelkaffee

Kal2016_03_März_Eichekaffee

Dieser herb-aromatische Kaffeeersatz ist sehr bekömmlich. Reife Eicheln schälen (schadhafte Eichelkerne aussortieren) und in kleine Würfel schneiden. Die Eichelkerne ein bis zwei Tage in kaltem Wasser einlegen, um ihnen die Gerbstoffe zu entziehen; dabei gelegentlich umrühren und das Wasser während des Einweichens zweimal abgießen und durch frisches ersetzen. Schlämmkreide oder Natron im Wasser (1 TL auf 2 l Wasser) unterstützen den Vorgang.

Nach dem Wässern die Kerne in einem Sieb gut abtropfen lassen. Auf einem Backblech im vorgeheizten Ofen bei 120 °C etwa 20 Minuten mittelbraun rösten, abkühlen lassen und wie Kaffeebohnen in einer Kaffeemühle mahlen.

Zwei TL Eichelkaffee pro Tasse mit kochendem Wasser überbrühen, zehn Minuten ziehen lassen, abseihen. Nach Belieben Zucker und/oder Sahne zugeben.
(aus: „Köstliches von Waldbäumen“ von Dr. Markus Strauß)