Aus der LBS-Wohneigentumsstudie – Wohneigentumsquote Teil 2: Wenn die Rahmenbedingungen für den Wohneigentumserwerb unverändert schwierig bleiben, schaffen bis 2030 kaum mehr Haushalte als heute den Sprung in die eigenen vier Wände.
BERLIN – Wenn die Wohneigentumsbildung in Deutschland in den kommenden Jahren weiter unter denselben Vorzeichen verläuft wie bisher, wird sie auch bis 2030 keine spürbaren Fortschritte mehr machen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Fortschreibung, die das Berliner Forschungsinstituts empirica im Rahmen der Wohneigentumsstudie für die Landesbausparkassen auf Basis der aktuellen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamts vorgenommen hat. Unter Status-quo-Bedingungen ist demnach für ganz Deutschland nur noch eine leichte Zunahme der Wohneigentumsquote von 42,1 Prozent im Jahr 2018 auf 43,6 Prozent im Jahr 2030 zu erwarten.
Der größte Teil dieses ohnehin überschaubaren Anstiegs geht auf das Konto Ostdeutschlands: Berlin einmal ausgeklammert könnten dort 2030 gut 41 Prozent der Haushalte in den eigenen vier Wänden leben – das wäre immerhin eine Verbesserung um fast 5 Prozentpunkte. In Westdeutschland dagegen geht es in den kommenden Jahren kaum noch voran. Unter heutigen Voraussetzungen ist zwischen Flensburg und Füssen für 2030 lediglich mit einem Selbstnutzeranteil von etwas mehr als 45 Prozent zu rechnen. Damit wäre noch nicht einmal das Niveau von 2013 wieder erreicht.
Unter der Voraussetzung, dass die Baukosten und Baulandpreise in Relation zu den Einkommen weder sinken noch steigen, ergibt sich die Entwicklung aus dem Zusammenspiel der folgenden Faktoren:
Demografische Veränderungen. Sie haben den größten Einfluss auf die durchschnittliche Wohneigentumsquote in Deutschland. Ein dämpfender Effekt resultiert zum einen aus dem Sog der Städte und zum anderen aus dem Trend, allein zu wohnen. Je mehr ein Ballungsraum wirtschaftlich prosperiert, desto attraktiver ist er für alte und neue Einwohner und desto höher sind dort in aller Regel auch die Immobilienpreise. Dies führt dazu, dass ein Leben in der Stadt für die meisten Menschen nahezu untrennbar an das Wohnen zur Miete gebunden ist. Auch Alleinlebende sind oft verhinderte Wohneigentümer, denn sie haben es schwerer, eine Immobilienfinanzierung zu stemmen als Doppelverdienerhaushalte. Logische Konsequenz: Wenn (und wo) mehr Menschen allein wohnen, hakt die Eigentumsbildung.
In der Projektion, die empirica für Jahr 2030 berechnet hat, wirkt der demografische Effekt für sich genommen in Ostdeutschland sogar negativer als in Westdeutschland, er wird allerdings von zwei anderen Entwicklungen überkompensiert.
Kohorteneffekte. Unterschiedliche Generationen hatten und haben unterschiedliche Chancen, zu Wohneigentum zu gelangen (mehr dazu unter: Wohneigentum verliert an Boden ). Der Wohlstand, den sich die Nachkriegsgenerationen erarbeitet haben, kommt auch darin zum Ausdruck, dass sie öfter in Eigentum leben als ihre Eltern. Bis 2030 genügt dieser Generationeneffekt, den man auch Wohlstandseffekt nennen könnte, um das demografisch bedingte Abrutschen der Wohneigentumsquote in Ost und West zu kompensieren.
Nachholprozess im Osten. In Ostdeutschland kommt der historische Rückstand in Sachen Wohneigentumsbildung gegenüber dem Westen hinzu. Zwischen Ostseeküste und Thüringer Wald gibt es noch mehr unerfüllte Wünsche nach der eigenen Immobilie als im Westen, und es gelingt dort auch noch öfter, diese Wünsche Wirklichkeit werden zu lassen – begünstigt vor allem dadurch, dass mehr bezahlbares Bauland vorhanden ist.
Der Nachholeffekt hat einen Anteil von 5 Prozentpunkten an der Entwicklung in Ostdeutschland bis 2030 – und ist damit im Prinzip allein verantwortlich für die zu erwartenden Fortschritte. Der demografische und der Kohorteneffekt fallen im Osten zwar größer aus als im Westen, beide heben sich hier wie dort aber nahezu auf. Und so ist eben auch zu erklären, dass sich im Westen in den kommenden zehn Jahren kaum noch etwas tun wird. Es sei denn, die Politik setzt den negativ wirkenden Faktoren schon heute etwas entgegen.
Zu den wichtigsten Ansatzpunkten zählen die Erwerbsnebenkosten, die Baulandpreise und die Baukosten. Ein Freibetrag in der Grunderwerbsteuer für Erstkäufer oder -bauherren könnte die Schwelle zum Eigentum spürbar senken. Dass das derzeit im Bundestag diskutierte Baulandmobilisierungsgesetz dazu beitragen kann, in Zukunft mehr Fläche zu mobilisieren, ist immerhin nicht ganz unwahrscheinlich. Empirica und LBS Research schlagen zudem vor, Familien in urbanen Zuzugsgebieten den Weg in die eigenen vier Wände zu erleichtern, dort aber gerade auch für Singles und kinderlose Paare ein zielgruppenspezifisches, eigentumsaffines Angebot zu schaffen. Auch der – derzeit noch erschwinglichere – Eigentumserwerb im Umland kann einen weiteren Attraktivitätsschub vertragen: Dazu würden eine bessere Verkehrsanbindung, der zügige Ausbau von sauberem und pünktlichen ÖPNV sowie möglichst kreuzungs- und autoverkehrsfreie Radschnellwege beitragen.
Auf dem Land ist das Eigenheim traditionell die verbreitete Wohnform, die Herausforderungen sind hier somit etwas anders gelagert: Es kommt vor allem darauf an, die Landflucht zu stoppen: Dazu sind städtebauliche und Infrastrukturinvestitionen nötig, vor allem aber muss eine bessere Abstimmung und Aufgabenteilung zwischen Dörfern, Ankerstädten und regionalen Zentren gelingen.
Die EVS: Was hinter den Zahlen steckt
Für die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamts werden alle fünf Jahre rund 60.000 private Haushalte zu ihren Lebens-, Vermögens- und Einkommensverhältnissen befragt – und das schon seit Anfang der 1960er Jahre. Die EVS ist die größte repräsentative Erhebung auf freiwilliger Basis innerhalb der Europäischen Union. Zuletzt fand sie im Jahr 2018 statt, die ersten Daten daraus wurden 2019 veröffentlicht, wissenschaftliche Sonderanalysen liegen seit 2020 vor. Einer der Befragungsschwerpunkte liegt auf der Wohnsituation und den Wohnkosten. Die Antworten auf diese Fragen wertet das Forschungsinstitut empirica seit 1995 im Auftrag der Landesbausparkassen aus. Im Fokus steht dabei die Entwicklung der regionalen Wohn- und Vermögensverhältnisse sowie der Wohnkosten.
Die EVS ist als Datenbasis für solche Analysen besonders geeignet, weil sie anders als beispielsweise der Mikrozensus nicht nur eine grobe Selbsteinschätzung der Nettoeinkommen abfragt, sondern buchhalterisch eine Vielzahl von Einkommenskomponenten der einzelnen Haushaltsmitglieder ermittelt, darunter den Mietwert von selbst genutztem Wohneigentum, Einkünfte aus abhängiger und selbstständiger Beschäftigung, aus verschiedenen Vermögensarten, aus Untervermietung sowie aus staatlichen und privaten Transferzahlungen. Darüber hinaus werden in der EVS anders als im Mikrozensus nicht nur die Wohnkosten von Mietern, sondern auch von Wohneigentümern erhoben, also Ausgaben für den Kauf von Grundstücken und Immobilien, Zinsen, Tilgung, Instandsetzungen und Modernisierungen. Im Mikrozensus wird zudem das Vermögen nicht abgefragt. Last but not least erfasst die EVS sehr detailliert Konsumausgaben in zahlreichen Haupt- und Unterkategorien. Auf dieser Basis lässt sich unter anderem das unterschiedliche Ausgabeverhalten von Mietern und Eigentümern analysieren, insbesondere bei jungen Ersterwerbern.
Die Ergebnisse der aktuellen EVS-Analyse von empirica und LBS Research werden in Form einer mehrteiligen Studie veröffentlicht.
Quelle: LBS Research