10 Urteile zu grundlegenden Fragen des deutschen Baurechts
Wie muss sich ein Neubau in eine bereits bestehende Wohngegend einfügen?
Kann man ohne weiteres zwei getrennte Eigentumswohnungen zu einer vereinigen?
Und: Ab der Haltung wie vieler Tauben wird es für die Nachbarn unzumutbar?
All das sind Fragen, die Experten des Baurechts klären müssen.
Nachfolgend haben wir einige Urteile deutscher Gerichte für Sie zusammengefasst.
Die Urteile im Detail:
- Ein in der Nähe stehender Container, in den Altglas eingeworfen werden kann, wertet eine gehobene Eigentumswohnung nicht automatisch ab. So urteilte das Oberlandesgericht Düsseldorf (Aktenzeichen I-21 U 46/19). Im konkreten Fall hatten sich Erwerber gegen einen Bauträger gewandt, der ihnen die geplante Aufstellung eines Containers verschwiegen hatte. Die Richter(innen) waren der Meinung, es handle sich hier um keinen Sachmangel. Die Existenz einer Wertstoffsammelstelle sei als sozialadäquat hinzunehmen.
- Um bauen zu können, müssen gelegentlich zuvor Bäume gefällt werden. Dabei haben der Bauherr und die von ihm beauftragten Firmen etliche Regeln zu beachten. Selbst bei einem grundsätzlich genehmigten Vorhaben, hier war es um drei Lindenbäume gegangen, gibt es noch gewisse Schranken. So verurteilte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (Aktenzeichen 11 S 26.13) einen öffentlichen Bauherrn dazu, Rücksicht auf die Vegetationsperiode zu nehmen bzw. den Naturschutzverband in die Überlegungen einzubeziehen.
- Es dürfte sich um einen der schönsten Ausblicke Deutschlands handeln, wenn man von einer Immobilie aus das Schloss Neuschwanstein sehen kann. Doch baurechtlich ist dieser Ausblick nicht unbedingt geschützt, wie das Verwaltungsgericht Augsburg (Aktenzeichen 4 S 09.1084) entschied. Nachbarn hatten einen Baustopp für ein Gebäude beantragt, das ihnen diese Sicht teilweise zu rauben drohte. Das Gericht stoppte die Arbeiten nicht und wies darauf hin, dass die Nachbarn durchaus noch über einen reizvollen Ausblick verfügten, zum Beispiel auf See und Alpen.
- Bei der Bewertung, ob ein Neubau in eine Gegend passt oder nicht, kommt es auf den Gesamteindruck an. Vor allem sollte sich die Baulichkeit in ihren Dimensionen an die Umgebung anpassen, befand das Verwaltungsgericht Mainz (Aktenzeichen 3 K 1142/18). Im konkreten Fall hatte die Aufsichtsbehörde ein Projekt abgelehnt, weil es in Firsthöhe und Fläche nicht zur restlichen Bebauung passe. Das Gericht sah es ebenso und wollte auch keine Ausnahme genehmigen.
- Die Wärmedämmung von Fassaden ist vom Gesetzgeber aus umwelt- und energiepolitischen Gründen ausdrücklich erwünscht. Trotzdem rechtfertigt es das Anbringen solcher Dämmplatten nicht, sich über baurechtliche Vorschriften hinwegzusetzen. Der Bundesgerichtshof (Aktenzeichen V ZR 196/16) urteilte, dass die Nachbarn keine Duldungspflicht hätten, wenn bei einem Neubau die angebrachte Wärmedämmung die Grundstücksgrenzen überschreite. Es sei nämlich in der Hand der Planer gelegen, dies zu verhindern.
- Der Milieuschutz kann es gebieten, die Zusammenlegung zweier Eigentumswohnungen zu einer zu untersagen.
In der deutschen Hauptstadt wollte eine Eigentümerin zwei Wohnungen mit Wohnflächen von 53 und 35 Quadratmetern miteinander verbinden. Das Verwaltungsgericht Berlin (Aktenzeichen 19 K 125.15) sah hierdurch die Gefahr gegeben, dass sozial schwache Mieter verdrängt würden und ließ die Zusammenlegung nicht zu. Für das Gebiet hatte eine Erhaltungsverordnung bestanden und deswegen ein besonderer Milieuschutz. - Wer in einem reinen Wohngebiet 100 Brieftauben halten will, der hat es nach Meinung der Rechtsprechung deutlich übertrieben. Das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße (3 K 322/15) untersagte einem Taubenfreund aus bauplanungsrechtlichen Gründen, einen Taubenschlag zu errichten und darin derart viele Tiere bei sich aufzunehmen. Mit der für eine Wohngegend typischen Freizeitbetätigung habe das nichts mehr zu tun.
- Eine Gaststätte kann in einem allgemeinen Wohngebiet ein wichtiger Bestandteil der Versorgung sein. Das Bundesverwaltungsgericht (Aktenzeichen 4 C 5.18) stellte dies angesichts von Beschwerden mancher Anwohner fest. Der Umbau einer bestehenden Schank- und Speisewirtschaft wurde mit dieser Begründung genehmigt. In einem dicht besiedelten Gebiet könne es nötig sein, solch einen Betrieb zuzulassen.
- Auch eine Tanzschule zählt nicht zu den Einrichtungen, die von vorneherein nicht in ein Wohngebiet passen. Im Kerngebiet einer Stadt sei sie nicht als „störender Gewerbebetrieb“ zu bezeichnen, entschied das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (Aktenzeichen 1 LA 162/18). Eine Tanzschule sei schließlich dadurch gekennzeichnet, dass einer überschaubaren Personengruppe Unterricht erteilt werde. Der Geräuschpegel einer Diskothek werde dabei nicht über lange Zeit erreicht.
- Manchmal ist die Umwandlung einer Gewerbeimmobilie durchaus überraschend. So sollte aus einer Papeterie ein Bestattungsunternehmen werden, was einige Nachbarn irritierte. Das Verwaltungsgericht Trier (Aktenzeichen 5 K 9244/17) sah hierin keine unzulässige baurechtliche Veränderung. Es liege die Mischung einer Vielzahl von Gewerbe- und Handwerksbetrieben sowie Geschäften vor, in die sich ein Bestattungsunternehmen durchaus einfüge.
Quelle: Infodienst Recht und Steuern der LBS
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