Streamen statt Ausgehen: Kultur in Zeiten von Corona

Ausstellungen, Konzerte, Museen und Lesungen zu Hause erleben

Das hohe Gebot der Stunde heißt: Kontakte vermeiden und zu Hause bleiben – um die weitere Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Deshalb haben die Veranstaltungsorte in Deutschland sowie in den meisten anderen Ländern weltweit geschlossen. Aber: Um den Menschen die Quarantäne zu erleichtern, streamen viele nun ihr Angebot.

Seit dem Ausbruch der Corona-Krise hat sich vieles verändert: Die Bundesregierung hat Kontaktverbote und Ausgangsbeschränkungen verhängt. Theater, Opern, Museen und andere Orte des kulturellen Lebens haben notgedrungen geschlossen.

Doch anstatt nun die Segel zu streichen, stellen viele dieser Veranstaltungsorte ebenso wie Musiker, Sänger und Schriftsteller ihr Angebot den Menschen weiterhin zur Verfügung: digital. Streaming ist das neue Ausgehen.

„United we stream“

Berliner DJs und das Clubleben der Stadt haben Weltruhm. Nicht nur aus anderen Teilen Deutschlands, aus fast allen Ländern kommen die Menschen nach Berlin, um hier zu tanzen, standen dafür früher stundenlang an.

Nun ist es umgekehrt: Mit dem Livestream United we stream der Berliner Clubszene kommt die Party mit einem mehrstündigen Musikprogramm zu ihren virtuellen Gästen nach Hause – verbunden mit einem Spendenaufruf, um Clubs und DJs zu unterstützen.

Täglich ab 19 Uhr laufen Beiträge aus wechselnden Clubs online. Neben einer Live-Übertragung von DJ-Sets, Live-Musik und Performances bietet die Plattform auch Gesprächsrunden, Vorträge und Filme rund um clubkulturelle Themen.

Streamen in der Quarantäne

Digitale Kammermusik

Was die elektronische Musik kann, kann die Klassik auch: Die großen Konzert- und Opernbühnen der Welt streamen ihre Premieren (ohne Live-Publikum) und ältere Produktionen online.

Dafür haben die Berliner Philharmoniker die Digital Concert Hall ins Netz gestellt und die Wiener Staatsoper die Staatsoper Live. Das neue digitale Angebot der Metropolitan Opera in New York können kulturinteressierte User aus aller Welt unter Nightly Met Opera Streams genießen.

Einige der Musikerinnen und Musiker der Metropolitan Opera zeigen online ein eigenes Programm mit kurzen Videos: Von Bizet bis Schubert spielen sie zu Hause unter dem Hashtag #MusicConnectsUs.

Wohnzimmer-Konzerte – Toilettenpapier inklusive

In Deutschland haben klassische Musikerinnen und Musiker eine „Corona Music Challenge“ ins Leben gerufen und Facebook als neuen Konzertsaal entdeckt: Während die Pianistin Fidan Aghayeva-Edler unter den Hashtags #ArtistsUnderQuarantine #spreadmusicnotfear #corona #covid19 #livefromhome Solostücke spielt, verabredet sich ihr Kollege Kunal Lahiry jeden Tag mit anderen Sängerinnen und Sängern zu digitalen Duetten.

Das Musikmagazin „Rolling Stone“ trotzt der Krise mit Wohnzimmer-Konzerten auf seinem Instagram-Kanal: Unter dem Label In my room geben Stars wie Brian Wilson von den Beach Boys immer mittwochs ein kleines Konzert.

Ein ähnliches Format hat sich die Kölner Brassband Querbeat einfallen lassen. Unter „Heute ist unser Sofa unser Place to be“ haben sich die 13 Musiker auf Youtube zu einem Videocall zusammengefunden – während sie eines ihrer Lieder zu Hause am Schreibtisch oder auf dem Sofa spielen – übrigens mit dekadent viel Toilettenpapier als Deko.

Theater on demand

Auf den Theaterbühnen proben die Ensembles alternative Wege zum Publikum: Die Schauspieler und Dramaturgen des Schauspielhauses in Düsseldorf melden sich dreimal pro Woche mit Beiträgen für ihr Publikum zum Lesen, Hören, Zuschauen und Mitmachen in ihrem digitalen Magazin.

Zwangsvorstellungen“ nennt die Berliner Schaubühne Theateraufzeichnungen aus allen Jahrzehnten seit ihrer Gründung, die sie nun online stellt. Die Mitschnitte sind täglich von 18.30 bis 24 Uhr abrufbar. Außerdem gibt es immer um 18 Uhr Grußbotschaften des Ensembles.

Das Theater Dortmund hat sein Symposium zu Kunst und Theater im Digitalen Zeitalter passenderweise auf die Online-Plattform Cheers for Fears verlegt. Und die Münchner Kammerspiele veröffentlichen jeden Tag auf ihrer Webseite den internen Mitschnitt einer Inszenierung aus ihrem Spielplan.

Lesungen auf Instagram und Co. – pünktlich um 16 Uhr

Kunst und Kultur genießen - ganz bequem mit Laptop und Kopfhörer

Jeden Tag um 16 Uhr lesen sechs junge Schauspielerinnen und Schauspieler aus dem Buch „Desintegriert euch“ von Max Czollek – live via Instagram.

Ebenfalls auf Instagram trägt ihr britischer Kollege, der Star-Trek-Schauspieler Patrick Stewart, ab sofort täglich ein Sonett von William Shakespeare vor. Mit dem Werk ist „Captain Jean-Luc Picard“ bestens vertraut, er hat schließlich bei der Royal Shakespeare Company gelernt.

Und in den Livestreams von NDR und SWR lesen bekannte deutsche Autoren montags bis freitags Kindergeschichten aus ihren Büchern. Dafür filmen sich die Autoren in ihren Wohnzimmern. Sendezeit ist auch immer um 16 Uhr.

Allein im Museum

Hollywood-Blockbuster haben schon mehrfach die Vorstellung thematisiert, einmal eine Nacht alleine im Museum zu verbringen. In Zeiten von Corona ist das plötzlich nichts Außergewöhnliches mehr, wenn auch nur virtuell.

So ermöglicht die Internetseite der Staatlichen Museen zu Berlin den digitalen Zugang zu über 30 Landingpages aller Museen, Sammlungen und Institute der Bundeshauptstadt. Außerdem bietet ihr Blog „Museum and the City“ viele Hintergrundgeschichten, Interviews und Bildstrecken zu allen Museen und Sammlungen. Darüber hinaus gewähren interessante Porträts der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder thematische Reihen, wie etwa zur Sanierung der Neuen Nationalgalerie, einmalige Blicke hinter die Kulissen.

Auch international haben große Museen ein virtuelles Angebot ins Netz gestellt, etwa der Louvre in Paris, das Rijksmuseum in Amsterdam oder das Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía in Madrid. Die Vatikanischen Museen bieten sieben virtuelle Rundgänge an, unter anderem durch die Sixtinische Kapelle.

Dieses abwechslungsreiche Angebot macht die Krise sicherlich nicht einfacher. Aber es erleichtert und bereichert die Zeit zu Hause – wenn auch nur virtuell.

Quelle: sparkasse.de